Die Kolonialisten ließen sich gerne auf der Hängematte tragen. Dieses bequeme Exemplar ist sich nicht leicht zu (er)tragen.

Kommen wir zur deutschen „Musterkolonie“ Togoland. Togoland war von 1884- 1916 teil des deutschen Kaiserreiches und als einzige Kolonie kein Verlustgeschäft für das Reich. Auch hier diente Gustav Nachtigal, als offizieller Unterzeichner der ersten „Schutzverträge“ mit den Togolesen. Die „Herrschaften“ wechselten aber auch hier über die Jahre und auch hier betrachtete man die Rechte der Einheimischen als Auslegungssache. Die Hauptstadt des heutigen Togo ist Lomé. Lomé wurde nicht, wie Yaounde durch fremde Siedler, sondern durch die heimischen Ewe gegründet, aber es wurde schon kurze Zeit später von den Kolonialisten übernommen, um einen Ort zu schaffen, der ihre Sehnsüchte nach Macht, Luxusgütern und Sex befriedigte. Die Kolonien waren nämlich vor allem Märkte und die Europäer waren von verschiedensten Phantasien getrieben, die auf die Vielfalt afrikanischer Kulturen und afrikanischer Phantasien prallten. Die Phantasie der Europäer war geprägt vom Christentum, dass die eigene Lebensweise in Afrika nicht rechtfertigte, weshalb man noch die Rassentheorie mitdachte und sich dann fortlaufend selbst betrog.

Der von einem Kolonialbeamten in Atakpamé erschlagene Mann gehörte zur dortigen Oberschicht, was den Skandal überhaupt erst auslöste.

An einem Skandal in Togoland, der damals sogar im deutschen Reichstag diskutiert wurde, wird sehr gut deutlich, wie sehr der Selbstbetrug im Kaiserreich um sich gegriffen hatte. Wegen der herrschenden Zwangsarbeit kam es zu Aufständen, die Einheimischen beschwerten sich über die viele Arbeit, die sie unter den Kolonialbeamten zu leisten hatten. Sie mussten jederzeit für Arbeiten der weißen zur Verfügung stehen. Einer ihrer Führer wurde daraufhin mit einer Peitsche erschlagen und zur gleichen Zeit wurde ein Beamter des Missbrauchs einer Einheimischen bezichtigt. Im Fall des Erschlagenen diskutierte der Reichstag in Deutschland nicht über neue Arbeitsrechte, obwohl die alten ja zu all dem geführt hatten, sondern man sinnierte über die Verletzungen durch eine Peitsche und ob sie wirklich tödlich sein könnten. Man zählte sogar die Anzahl der Schläge auf und rekonstruiert die Szenerie. Im Fall der scheinbar misshandelten Frau wurde der Sex zwischen dem Beamten und der Frau durch einen Missionar angeprangert, obwohl er vermutlich einvernehmlich war. Trotzdem wurde das aufs schärfste verurteilt. Was vor Christus nicht sein durfte, durfte nicht sein und so klagte man etwas an, was bereits Alltag war.

In den Kolonien waren Beziehungen zwischen den Menschen mit verschiedenen Hautfarben bereits normalisiert, aber das hätte das heimatliche, rassistische Bild des tugendhaften Kolonialisten beschädigt, wenn man es so zugegeben hätte. Der Missionar sah in dieser Handlung seinen Glauben gefährdet. Missionare und Beamte hatten scheinbar sehr unterschiedliche Vorstellungen von Kolonialismus. Man sieht, weder die Europäer waren eine homogene Gemeinschaft, noch die einheimische Bevölkerung, die zum Teil auch die Nähe der reichen weißen suchte. Es gab überall Differenzen und fließende Übergänge und statt eines reinen Rassegefüges gab es zwischenmenschliche Beziehungen in alle Richtungen. Entscheidend war letztlich die militärische Übermacht und der Reichtum an Wissen und Möglichkeiten der weißen Besatzer. Die Übermacht und fehlender Respekt machten den Unterschied, nicht die Hautfarbe oder irgendein anderes menschliches Merkmal.

Wo Menschen zusammen kommen entstehen Beziehungen, deshalb sind trennende Ideologien für mich eigentlich nicht mehr als phantastische Träumereien.

Zwei Dinge fallen mir bei allem besonders negativ auf. Die Einseitigkeit der Gewinne des Handels und die damit einhergehende Enttäuschung über die Hanse, die ich durchaus irgendwie bewundert hatte, weil die Erzählung der freien Kaufleute und Hansestädte mich immer begeistert hat. Viel des Reichtums, den sie erwirtschaftet haben, geht leider auf Betrug und Ausbeutung in z.B. Togo zurück. Man hat bei Verhandlungen nicht mit offenen Karten gespielt und unter anderem nicht auf den Unterschied zwischen einer deutschen (7500m) und einer britischen Meile(1500m) verwiesen, wenn es um Landkäufe ging oder hat andere fiese Tricks angewendet. Noch heute sind Straßen nach diesen Betrügern benannt und sogar nach Mördern, wie Carl Peters.

Lüderitz war der Kaufmann, der in Namibia kaufte, was dann zur deutschen Kolonie heranwuchs.

Das zweite, das mir aufgefallen ist, ist die Mission, der christliche Übermut, und da macht es mich besonders fassungslos, dass es seit 1975 wieder deutsche Missionare in Togo gibt. Die Steyler Mission zu der der Missionar gehörte, der den Sex zwischen dem Beamten und der Einheimischen angezeigt hatte, hat mittlerweile wieder eine Schule und eine Krankenstation und feiert derzeit 50 neue Anwärter auf das Missionsamt. Sie wächst also. Wenn die Kirche Dank des Missbrauchsskandals Nachwuchsprobleme in Europa hat, hier sammelt sie ihre Schafe, unter Menschen, die sie seit 130 Jahren unaufhörlich beeinflusst (z.B. das Kondom verurteilt, wo HIV um sich greift). Ich verlinke euch die Steyler Mission, vielleicht seht ihr es anders, aber mir gefällt das absolut nicht.

https://m.steyler-mission.de/de/news-berichte/berichte/2019/Ich-will-hier-eine-Kirche-bauen-keine-Scheune.php

Wenn Jesus nach Rasse sortiert hätte, hätte Gott ihn zur Adoption freigeben müssen. Glücklicherweise haben die Ewe sich auch ihren eigenen Glauben in Teilen bewahrt.

Generell kann man sagen die Beschäftigung mit der deutschen Kolonialgeschichte und deren Bewältigung ist ein einziges Trauerspiel. Es hat komische Momente, die der Romantisierung verschuldet sind, aber es bleibt ein großes Verbrechen. Es ist überraschend, daß man erst 2018 beschlossen hat, die Opfer des deutschen Kolonialismus in die Erinnerungskultur mit einzuschliessen. Bisher kaum erwähnt habe ich, dass mit Ausbruch des ersten Weltkriegs, auch viele Afrikaner auf Seiten des Kaiserreiches kämpfen mussten und starben. Ein Verbrechen. In den Kolonien gab es auch medizinische Versuche. Da hat die Enttäuschung hat auch einen sehr aktuellen und bekannten Namen. Robert Koch, der große Arzt und Namensgeber des Robert-Koch- Instituts, war ebenfalls in Form von Menschenversuchen (u.a. zu Gegenmitteln der Tuberkulose) an den Verbrechen der Kolonialzeit beteiligt. Koch war sehr wagemutig, was das Probieren neuer Mittel anging und nahm den Tod von Menschen wissentlich in Kauf.

https://www.deutschlandfunk.de/menschenexperimente-robert-koch-und-die-verbrechen-von-100.html

1905 erhielt Koch den Nobelpreis für Medizin. Ohne seine Forschung wäre Corona vielleicht noch ein größeres Problem, als es schon ist.

Die Kolonialgeschichte ist ziemlich vielfältig. Bisher habe ich mich nur recht oberflächlich mit den vier großen Kolonien beschäftigt, aber es gab auch noch weitere, kleinere. Mit welcher Kolonie und welchen Themen es weitergeht muss ich noch entscheiden. Hier tut sich etwas auf, von dem ich glaube, dass man es definitiv lange vernachlässigt hat. Wie gesagt, man erinnert sich seit genau 5 Jahren offiziell an diese Schrecken deutscher Herrschaft in Afrika. Was noch kommt werde ich heute Abend mal schauen. Bis dahin.