Ein paar Worte. Schenkt mir ein paar eurer eigenen Worte.

Das könnte jetzt für einige zu kitschig sein, aber mir ist es tatsächlich ernst damit. Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr mir Geschichten schickt, die ihr selbst erlebt habt, die Mut machen z.B. Irgendwas. Vielleicht hat mal euer Nachbar eine Katze vom Baum gerettet, obwohl er Höhenangst hat oder ihr habt mal mitbekommen, wie jemand bedroht wurde und seid dazwischen gegangen, Zivilcourage, oder ihr sagt mir, was ihr für mutig haltet oder was euch zum nachdenken gebracht hat. Eurer Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. 

Ein besonderer Appell an meine Kollegen aus der Pflege, haut raus! Was habt ihr nicht schon alles erlebt?!

Ich gebe euch ein Beispiel….

Eine Geschichte, die ich vor einigen Jahren im Krankenhaus erlebt habe. Damals habe ich schwer kranke Menschen nach Schlaganfällen und Herzinfarkten betreut, die nicht das Glück hatten, nach dem Ereignis noch einmal von alleine völlig fit zu werden, wie es zum Glück auch passieren kann. Viele solcher Menschen brauchen aber eine Wochen oder Monate dauernde Rehabilitierung und viel, viel Unterstützung. 

Einer der Patienten damals war ein Mann, der nach einer Virusinfektion intensivmedizinisch hatte betreut werden müssen und dann, nach seiner Intubation, auch tracheotomiert (Luftröhrenschnitt) werden musste. Unter Umständen ein Zustand, der Monate dauern kann, Jahre.
Wenn die Intensivmedizinische Betreuung vorbei ist, nach ein bis zwei Wochen, werden solche Patienten oft auf die „Normalstation“ verlegt, manche sind aber noch zu schlecht und müssen deshalb weiter intensiver betreut werden, das bedeutet, das es eine „Zwischenstation“ geben muss.

„Unter Frührehabilitation versteht man die frühzeitig einsetzende rehabilitationsmedizinische Behandlung vor allem von Patienten mit schweren Hirnschädigungen. Frührehabilitation findet in der Regel schon während der stationären Krankenhausbehandlung statt, das bedeutet: in der frühen Phase der Versorgung.“

Auf so einer Rehabilitationsstation habe ich damals gearbeitet. Bei uns wurde nun, nachdem sein Fieber endlich zurückgegangen war, versucht der Tubus zu entfernen. Das ist nicht immer leicht und es gibt Fälle, da gelingt es gar nicht. Bei den Auslassversuchen eines Tracheostomas ist in den ersten 48 Stunden noch besondere Vorsicht geboten, denn es können Komplikationen auftreten, die zum Ersticken des Patienten führen können. Deshlab ist es eigentlich sinnvoll solche Auslassversuche bereits morgens zu beginnen, in der Frühschicht, damit man den ganzen Tag zur Beobachtung hat.

In diesem Fall war, wegen des Stresses, erst gegen Abend der Stoma entfernt worden und es lag nun an mir, dem einzigen Nachtdienst, den Patienten zu überwachen. Man muss dazu sagen, dass dieser Patienten natürlich nicht der einzige „Problemfall“ an diesem Abend war und deshalb, so schlimm das klingt, natürlich nur die Überwachung stattfindet, die möglich ist, was nicht immer die ist, die nötig wäre.

Mit diesem unbefriedigenden Gefühl muss man in der Pflege in Deutschland aber grundsätzlich zu leben lernen. In diesem Fall hier, lebe ich allerdings mit einem sehr guten Gefühl. Zunächst begann der Patient aber Temperatur zu entwickeln, weshalb ich ihm eine Paracetamol Infusion verabreichte und den Arzt informierte, der ihn sich später ansah und keinen akuten Handlungsbedarf sah. Der Patient klingelte noch einmal, um ihm bei der Abendhygiene behilflich zu sein und schlief dann. Etwa zwei Stunden später klingelte er erneut. Er redete wirres Zeug, bekam keine Luft und wühlte unruhig in seinem Bett herum. Ich rief erneut den Arzt hinzu und wir informierten die zuständige Intensivärztin. Wir gaben dem Patienten etwas zur Inhalation und etwas zur Erweiterung der Bronchien. Der Patient verschlechterte sich dennoch Zusehens, weshalb man erneut Intubierte und eine Notfall Bronchoskopie vor Ort durchführte. Die Situation war kritisch und der Patient wurde wieder auf die Intensivstation zurückverlegt, nachdem die akut Situation stabilisiert werden konnte. 

Es war mittlerweile 1:30 und ich hatte viele Dinge, wie Antibiotikagaben, noch nicht vollständig erledigt. Ich machte mich also an die Arbeit und versorgte die anderen Patienten so gut ich dazu alleine in der Lage war. Ich war zu dieser Zeit sicher, dass es allen gut ging, aber das war nicht in jedem Dienst der Fall. Es gab durchaus Nächte mit zwei oder drei kritischen Situationen, die wirklich Lebenskraft gefordert haben.

Ich hatte dann Urlaub. Zwei Wochen war ich nicht im Krankenhaus und war wirklich dankbar für diese Pause. Ich war Istanbul gewesen und hatte dort erlebt, wie um die Ecke meines Hotels ein Bombenanschlag verübt wurde bei dem 13 Menschen starben, aber das ist eine andere Geschichte. Der Patient war wieder zurück auf meiner Station. Ich freute mich, als ich davon in der Übergabe erfuhr und ging direkt danach in sein Zimmer, um ihn zu sehen. Ich öffnete die Tür und er saß im Sonnenlicht, im Bett, die Brille auf der Nase, eine Zeitung in der Hand und trank Kaffee, selbstständig, aus einer Tasse.

Er begrüßte mich und freute sich, aber als ich ihn fragte, ob er sich an den Abend erinnerte, sagte er, dass er nicht gewusst habe, was passiert war. Wir sprachen darüber und ich glaube, es war für uns beide ein einschneidender Moment, weil wir erlebt hatten, welche Wunder auch heute noch geschehen können. Für mich bis heute ein Wunder, das dieser Mann überlebt hat und dass er so erfolgreich therapiert werden konnte. Er verlies das Krankenhaus, schwach, aber selbstständig.

Mutgeschichten
Hier könnt ihr Geschichten schreiben, die Mut machen sollen. Egal, was euch dazu einfällt. Ihr könnt einfach erzählen, was euch passiert ist oder was ihr gehört habt oder euch eine Geschichte ausdenken. Egal. Hauptsache sie macht Mut. Irgendwie.