„Squaw“ ist ein künstlicher Begriff der englischen Sprache, der bis vor einigen Jahren häufig gebraucht wurde, um eine Frau der Native- Americans zu bezeichnen. Der Begriff ist aus einer Algonkin-Sprache entnommen worden, die zwar von einigen nordamerikanischen Ureinwohnern gesprochen wird, die den Begriff selbst aber kaum nutzen. Es ist also bei „Squaw“ ähnlich, wie bei dem N- Wort, man hätte es nie und sollte es nie mehr benutzen, da es aus einer rassistischen Tradition stammt, die aus einer herabwürdigenden Sichtweise auf die Natives entstanden ist. Auch dieses Wort ist über lange Zeit literarisch romantisiert und verklärt und in den Kontext des „Wilden“, „Fremden“ und „Unwirklichen“ eingeordnet worden.

Der Begriff „Squaw“ bezeichnet demnach auch jede Frau und jedes Mädchen, das in den US- Kriegen des 19. Jahrhunderts und zuvor von romantisch und religiös verklärten Menschen gedemütigt, gequält oder getötet wurde, ohne dass sich jemand die Mühe gemacht hätte, sie nach ihren wahren Namen zu fragen.[Bild: Wikipedia.de/KarlMay]

Ich empfehle einmal den Vergleich des englischen mit dem deutschen Wikipedia- Eintrag. Es wird sehr schnell deutlich, dass der deutsche Beitrag sich nicht mehr auf der Höhe der Zeit befindet, weil er eingangs zwar auf die Historie des Wortes verweist, aber den negativen Aspekt negiert und den Begriff für weiterhin gültig erklärt. Dass die Verinnerlichung der Tatsache, dass rassistische Traditionen in vielen Teilen der Literatur lange forciert wurden, in Deutschland nicht besonders gut gelingt, wundert mich nicht. Deutschland ist stolz auf seine Literatur und das zurecht, denn sie hat starken Einfluss auf die Kultur des Landes und ist deshalb ein wichtiger Aspekt deutscher Innen- und Außensicht, Selbst- und Fremdwahrnehmung und sollte deshalb auch immer selbst aus neuen Perspektiven betrachtet werden. Kultur ist nicht starr, sondern ein fließender Prozess, die Literatur hingegen schafft einige große Werke, die Bestand haben, festgeschrieben sind. An ihnen muss sich die Kultur, aus der sie entstanden, dann über die Zeit „abarbeiten“, um wieder neue kulturelle Räume zu erschließen und neue große Literatur auf den Weg zu bringen.

Der Begriff „Squaw“ geht in vielen Ländern vor allem auf die Abenteuerromane von Karl May zurück, in denen er sie besonders in seiner „Wild West Welt“ auftreten lässt. Dort spielt Karl May mit den Klischees des klassischen „Wilden“ und macht die sog. „Indianer“ Nordamerikas mit „Winnetou“ europaweit berühmt. Er ist einer der meistgelesen Autoren Deutschlands. Karl May, der selber nicht in Amerika gewesen ist, bevor er die Romane schrieb, erzählt von den Apachen und ihrem Kampf mit dem weißen Mann. Viele der Dinge, die er damit über die Apachen verbreitet hat, sind nicht mehr, als Phantasie oder Hörensagen. „Squaw“ wird angeblich von den Natives als Schimpfwort, Synonym für Hure benutzt und beschreibt nicht die geheimnisvolle, schöne Wilde aus Mays „Winnetou“ Geschichten. Angeblich haben die „Indianerinnen“ den Begriff auch für weiße Frauen benutzt, das halte ich für sehr viel wahrscheinlicher, denn hier hätte er vermutlich die ursprüngliche Bedeutung inne gehabt. Es gibt über Herkunft und Bedeutung des Begriffes große Diskussionen, aber klar ist, dass sich bestimmte Gruppen noch heute von dieser Bezeichnung herabgesetzt und beleidigt fühlen. Das ist so, es muss kein weißer Philologe ihnen erklären, dass das Wort, von der Wortherkunft her, keine Beleidigung sei, ohne dass er das sicher sagen könnte.

„[…] wo die Squaws doch mit wohnen und es sehen müssen! Oder hören sie nicht das Schmerzgeheul der armen Tiere? Haben eure Squaws nicht Vögel in Käfigen in ihren Zimmern? Wissen sie nicht, welche Qual dies für den Vogel ist? Sitzen eure Squaws nicht zu tausenden dabei, wenn bei Wettrennen Pferde zu Tode geritten werden? Sind nicht Squaws dabei, wenn Boxer sich zerfleischen? Ich bin ein junges, unerfahrenes Mädchen und werde von euch zu den „Wilden“ gerechnet; aber ich könnte dir noch vieles sagen, was eure zarten Squaws tun, ohne daß sie dabei den Schauder empfinden, den ich fühlen würde.“ aus „Winnetou“

Warum sollte uns in Deutschland diese Diskussion überhaupt beschäftigen? Nun, einmal wegen der von mir schon angeschnittenen Kolonialzeit des deutschen Reiches im 19. Jahrhundert und den damit verbundenen, ähnlichen Entwicklungen, wie in den USA, in den Kolonien, aber auch, weil es wichtig ist zu wissen, dass unsere europäische Geschichte immer auch eine rassistische war, die bis ins Mittelalter zurückreicht und sich spätestens in der Zeit der Kreuzzüge manifestiert hat. Ich behaupte nicht, dass es solche rassistischen Tendenzen nicht auch anderswo gegeben hätte, sicher gab es die, aber da es sich hier um die Worte eines Europäers zur Einordnung der eigenen nationalen Literaturgeschichte handelt, beschäftige ich mich eben hauptsächlich mit diesem Phänomen, dass auch sicherlich die massivsten Auswirkungen auf die Weltgeschichte hatte, verglichen mit den Rassismen anderer Kulturen, die zum Teil erst noch aufgedeckt werden müssten. In Europa liegt der Rassismus seit Columbus, seit der Zeit des Imperialismus des 19. Jahrhunderts oder spätestens seit Adolf Hitlers Reich offen da, niemand müsste ihn suchen, auch heute noch nicht, wie die AfD im Bundestag beweist. „Squaw“ ist einfach ein gutes Beispiel die Doppelmoral aufzuzeigen. Mir persönlich ist der Begriff „Squaw“ wirklich vor allem aus Abenteurromanen bekannt und ich verbinde damit auch die Bilder alter Westernfilme, das sollte hinterfragt und nicht so hingenommen werden.

Vor kurzem gab es eine Diskussion um die Sängerin Ronja Maltzahn, die von Fridays for Future wegen „Cultural appropriation“ in Form von Dreadlocks wieder ausgeladen worden ist. Diese Diskussion halte ich für missglückt, weil es so scheint, als ginge es um „Kleinigkeiten“, wenn man über das Verhältnis der Europäer (und US-Amerikaner) zu anderen Kulturen spricht. Die Sängerin hat mit ihrer Frisur aber nicht in böser Absicht gehandelt und ob es wirklich viele als beleidigend empfinden, sie mit dieser Frisur zu sehen, ist auch eher umstritten. Carola Rakete wird man wohl trotz der Frisur keinen Hang zum Rassismus unterstellen wollen. Dagegen ist sprachlich systematisierte Herabwürdigung, wie eben Begriffe, wie das N-Wort oder eben „Squaw“ sehr viel wirkmächtiger. Es sollte unser Ziel sein, diese systemischen Rassismen, die über die Sprache und die Medien Gedankenkonstruktionen vermitteln, die zu einer Abwertung von Menschen führen, zu erkennen und darüber aufzuklären. Wenn die Begriffe, kulturell geprägt sind und literarisch immer wieder reproduziert werden, verfestigen sie sich auch kulturell und das sollte eine Gesellschaft verhindern wollen, die sich selbst als „aufgeklärt“ bezeichnet.

Betrachtet man die Unterhaltungsliteratur in Form von Western, muss man sich vergegenwärtigen, dass der „Wilde Westen“ von Menschen bewohntes Land war, das man auf kriminelle Weise enteignet hat. Diese Narrative vernebeln die Wirklichkeit.

Wenn wir uns den Wechselseitigen Prozess von Literatur und Kultur bezüglich Europa einmal wirklich vergegenwärtigen, müsste klar zu erkennen sein, warum man die europäische Literatur des 19. Jahrhunderts, und davor, eigentlich sogar noch bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein, nicht ohne die ständige Warnung vor versteckten und offenen Rassismen und Hassbotschaften lesen und verstehen kann. Europäische Kulturkontakte mit Menschen aus anderen Kulturen waren und sind von inneren, wie äußeren Konflikten geprägt. Deutschland ist traditionell das Land, das vor allem von den inneren Konflikten geprägt ist. Vielleicht hängt das auch mit der Geographie zusammen, weil es ein Transitland in der Mitte Europas ist, das sich ständig in Bewegung befindet oder es ist in der Geschichte begründet, denn Deutschland war nie eine „große Seefahrernation“ und deshalb oft mit sich oder den vielen europäischen Nachbarn beschäftigt. Deutschland ist nicht umsonst eine Bundesrepublik, das heißt, aus vielen kleineren Ländern zusammengesetzt. Das heute existierende, einige Deutschland ist überhaupt erst eine Errungenschaft der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts. Die Deutschen stürzten ihre Kaiser selbst, erwählten mit Hitler den eigenen Henker und sperrten sich danach selbst hinter eine Mauer, die noch ein weiteres halbes Jahrhundert lang die innere Zerrissenheit offen zur Schau stellen sollte, bis sie schließlich, friedlich, von den Deutschen selbst, niedergerissen wurde und Deutschland so zu einer jungen Nation zusammenwuchs, die noch immer schwer mit ihrer wechselhaften Geschichte und der eigenen Verantwortung zu kämpfen hat. Diese innere Unsicherheit zeigt sich derzeit auch im Ukrainekonflikt.

Im Ukrainekonflikt zeigt sich aber leider auch wieder der alte Rassismus Europas. Deutschland, und ich glaube auch Olaf Scholz, liebt einfach den „Status Quo“ und dazu gehört leider auch der latente, systemische Rassismus, für den ich den Begriff „Squaw“ für exemplarisch halte. Man glaubt, daß sei kein Problem, man hinterfragt es aber auch nicht näher, man bewahrt den „Status Squaw“, wie es der deutsche Wikipedia Eintrag eindrücklich unter beweis stellt. Man weiß eigentlich, um all die Probleme, entscheidet sich aber dazu, sie nicht als solche wahrzunehmen und zu behaupten man wisse es besser, der Begriff sei einfach nicht problematisch. So, so.