Kamerun wurde, wie schon Namibia, durch Kaufverträge hanseatischer Kaufleute zu einer deutschen Kolonie, die Kanzler Bismarck 1884 in die Hände des Afrikaforschers Gustav Nachtigal legte, der auch dafür berühmt war, einen spannenden Mordfall in der Szene der Afrikareisenden des 19. Jahrhunderts aufgeklärt zu haben. Der Mord an Eduard Vogel, vermutlich durch einen Sultan in Auftrag gegeben, führte seiner Zeit verschiedene Forscher nach Afrika, um dessen Schicksal zu klären. Vogel war in Kamerun und dem heutigen Tschad als Kartograph und Astronom unterwegs gewesen, als er starb.

Er starb sicher auch wegen seiner Art mit Menschen umzugehen.

Eine Reise von England, wo Vogel 1849 lebte, nach Kamerun konnte Monate dauern. Vogel war in Kamerun mit anderen Afrikaforschern verabredet gewesen, von denen einer sogar verstorben war, bis Vogel fast ein Jahr später eintraf. Das Reisen innerhalb Afrikas war damals sehr riskant, da es viele verschiedene Herrschaftsgebiete gab, die man durchreisen musste. Nicht alle Bewohner dieser Gebiete waren weißen gegenüber freundlich gesinnt, wie man sich vielleicht vorstellen kann. Vogel reiste im Bereich des Tschadsees und dann verlor sich seine Spur. Ein Zeuge berichtete später, er sei erschlagen worden, aber restlos klären konnte auch Gustav Nachtigal nicht, was geschehen war. Er vermutete einen Auftragsmord von dem Sultan von Wadai, weil Vogel ein Mensch war, der keinen Respekt gegenüber den einheimischen Kulturen gehabt haben soll. Auch Heinrich Barth, einer der bekanntesten Afrikaforscher dieser Zeit hat sich zeitweise mit dem Verbleib Vogels beschäftigt. Er war im Gegensatz zu Vogel immer einigermaßen respektvoll mit den Einheimischen umgegangen. In verschiedenen Dokumentationen wird er immer noch hoch für seinen Einsatz in Afrika gelobt. Von ihm wurde in einer Dokumentation gesagt, er habe dafür gesorgt, dass Timbuktu kein weißer Fleck auf der Landkarte geblieben sei. Timbuktu war seit dem 14. Jahrhundert eine islamische Handelsmetropole und sicher kein „Weißer Fleck“, sie war nur traditionell nicht für ungläubige zugänglich. Barth sprach arabisch und schaffte es heimlich in die Stadt, wo er sogar einige Zeit lebte, bis man ihm auf die Schliche kam.

Timbuktu liegt im heutigen Mali, das ebenfalls noch heute Probleme mit seinen ehemaligen „Herren“ aus Frankreich hat.

Ich erzähle die Geschichte von dem Mord an Vogel, weil sie zum einen ein Teil der deutschen Kolonialgeschichte ist und weil sie zum anderen zeigt, dass nicht jeder Afrikareisende, der damaligen Zeit, hoffnungslos rassistisch war, aber auch weil sie zeigt, dass es eine Zeit gegeben hat, in der die Machtverhältnisse in Afrika durchaus unklar gewesen sind. Erst die staatliche deutsche Übermacht, die sich irgendwann hinter die Kolonialisten gestellt hat, hat die Machtverhältnisse völlig gewandelt. Es waren die Interessen des deutschen Kaiserreichs, die Interessen Bismarcks, die zu den verherensten Verbrechen in den Kolonien führten. Bei der Recherche fallen viele Fälle von sog. „Framing“ und „Othering“ auf. Man versucht im Nachgang durch bestimmte Begriffe und Narrative die Kolonialherrschaft weniger schlimm wirken zu lassen. Diese Art des Umgangs mit der Kolonialgeschichte ist erst durch das Buch „Orientalism“ von Edward Said 1978 erstmals umfänglich aufgezeigt worden. Zuvor war es normal Reisen in die Kolonien als Abenteuer zu verklären und von den „bösen Wilden“ im afrikanischen „Busch“ zu sinnieren. Fast die gesamte Literatur dieser Zeit ist davon beeinflußt. Die Erzählung von Morgenland und Abendland, von einem Sehnsuchtsort Orient und die Geschichten vom wilden, gottlosen Eingeborenen. Alles Teil der Literatur, nicht nur in Deutschland. Alles eine gefährliche Fiktion. Besonders in England und Frankreich folgte man den Narrativen und diffamierte fremde Kulturen als minderwertig. Man darf nicht vergessen, dass die Eugenik, die Grundlage der Rassentheorie bereits Anfang des 19. Jahrhunderts erste Anhänger fand und erst in der „Rassenhygiene“ der Nazis 1933 ihren Höhepunkt fand.

In der Eugenik versuchte man die Unterschiedlichkeit der Rassen zu beweisen. Verlinke euch einen guten Artikel des Spiegel (daher auch das Bild)

https://www.spiegel.de/geschichte/bizarre-forschungen-in-afrika-a-947235-amp.html

Die Geschichte von Vogel ist der perfekte Stoff einer verklärten Kolonialgeschichte. Ein reicher, weißer Abenteurer bereist das Land der Wilden und wird auf rätselhafte Weise von ihnen ermordet. Ich habe auch einen Podcast gefunden, der anhand der Tagebucheinträge zum Geburtstag von Barth und Vogel versucht Geschehenes zu rekonstruieren.

https://www1.wdr.de/mediathek/audio/zeitzeichen/audio-eduard-vogel-afrikaforscher-geburtstag–100.html

Leider klingt es genauso, wie es nicht klingen sollte. Es klingt nach einer romantisierten Abenteuergeschichte, die vor allem die Sicht der privilegierten Weißen wiedergibt, ohne zu berücksichtigen mit welcher Absicht diese „Abenteurer“ durch die damaligen afrikanischen Reiche zogen. Es war sicher auch wissenschaftliches Interesse, Abenteuerlust und guter Wille dabei, aber es war vor allem der Wunsch der Inbesitznahme eines bereits bewohnten Gebietes mit respektlosen und gewaltsamen Mitteln einer militärischen Übermacht. Es war nie harmlos und es war selten fair, das sollte man nie vergessen. Ich habe mich auch einmal intensiver mit dem Umgang der Amerikaner mit den Natives zu dieser Zeit beschäftigt und es gibt viele Parallelen. Es war vor allem systematischer Raub und Rassismus und hatte selten bis nie mit Respekt und Wertschätzung zu tun.

Das war der Geist des Kolonialismus.

Kamerun wurde seit 1862 bereist und nach der Unterzeichnung sog. „Schutzverträge“ mit den einheimischen Duala begannen in den 1880er Jahren dann systematische Expeditionen, bei denen auch eine Forschungsstation gegründet wurde, die heute zur Hauptstadt Yaounde geworden ist. Die Art, wie sich Deutschland damals zur Macht gebracht hat erinnert mich an die sog. Gewaltmärkte oder „wenn zwei sich streiten…“ die Kolonialmächte nutzten Konflikte ethnischer Gruppen aus, um sich mit der Hilfe einer Seite an die Macht zu bringen. In der deutschen Heimat belächelte man die Einheimischen für ihre angebliche Schwäche und stellte sie als schutzbedürftige, minderwertige Menschen da. Das bestätigte dann wieder die Eugenik. Ein wahrer Teufelskreis.

Schrieb der Postdirektor Peglow 1939.

Nach dem Ende der deutschen Kolonialherrschaft 1919 ging Kamerun an den Völkerbund und dann unter englisches und französisches Mandat, das kennen wir von Israel. Unabhängig ist es seit 1960. Kamerun handelt heute weniger mit Gold, wie die beiden anderen ehemaligen deutschen Kolonien, als mit Alkohol oder Holz. Der Holzeinschlag, meist illegal, ist der höchste Afrikas und die größten Abnehmer des illegal geschlagenen Holzes sind Frankreich und China. Auch Kamerun hat eine Arbeitslosigkeit von 25% und das Arbeitsrecht wird oft umgangen. Davon profitieren nicht nur die angeblich immer so „korrupten afrikanischen Regierungen“ sondern vor allem die Abnehmer der Waren, die sind so nämlich günstiger. Man Profitiert wieder vom Unglück anderer, man bewahrt sozusagen die Tradition Europas in Afrika. Die Impfquote gegen Corona in Kamerun liegt übrigens bei 2,5%. Ich denke, dort ist von der 4. Impfung noch keine Rede. Das könnte auch damit zu tun haben, dass die heiligen Biontech Gründer an ihren Patenten kleben, aber das ist nur eine Theorie.

Jemen und Kamerun haben sich die Situation sicher nicht ausgesucht. Aber generell sind die Zahlen ziemlich ernüchternd und das Gerede in unseren Medien mindestens scheinheilig.

Letztlich bleibt zu sagen, daß Schicksal Eduard Vogels ist vollkommen egal für die Geschichte und ihn zu ehren war vielleicht ein Fehler. Genauso wie es falsch ist die Geschichte mörderischer Raubzüge mit rassistisch- christlichen Motiven als Abenteuer zu bezeichnen. Ich denke, ich werde mich nochmal mit Westernfilmen, Tarzan und Indiana Jones auseinandersetzen müssen, aber erstmal wird es um Togoland gehen. Bis dahin.