Es werden viele Märchen erzählt

Egal, wie sehr AfD und andere extreme Konservative auch das Gegenteil behaupten, Flucht ist niemals der „einfachere Weg“, den die Menschen gehen, um ins „gelobte Land“ Deutschland zu gelangen. Flucht ist im Leben vieler, der sich auf der Flucht befindlichen Menschen, der einzige Weg, den sie sehen, um sich eine sichere Zukunft aufzubauen. Für mich persönlich gilt dies auch für sog. „Wirtschaftsflüchtlinge“, denn auch die tun das, was jeder vernunftbegabte Mensch tun würde, wenn die Möglichkeit bestünde einer bedrohlichen Lebenssituation zu entfliehen. 

Persönliche Erfahrungen mit geflüchteten Menschen

2015 hatte ich das Glück Mohammed und Ahmed kennenzulernen, die beide aus Daraa bzw. Damaskus Syrien geflohen waren und wir haben viel Zeit miteinander verbracht, so dass ich einen guten Einblick in das Leben der geflüchteten Menschen zu dieser Zeit hatte und es war emotional nicht leicht, alles nachzuvollziehen, was den beiden passiert war und wie sie letztlich in der Nähe von Köln, in einer fast leeren Wohnung, gelandet waren, aber es waren Geschichten dabei, die mich lange nicht los gelassen haben.

Es waren Horrorgeschichten

Da die beiden aus der Region stammten, in der der Bürgerkrieg entflammt war, hatten sie zum Teil bereits einen längeren Leidensweg hinter sich, als andere. Das Assad Regime hatte junge Männer in dieser Region gezielt unter Druck gesetzt, damit diese sich nicht der FSA (Free Syrian Army) anschlossen, also waren die beiden zum Studium nach Damaskus gegangen und dort erlebten sie dann später Bombenangriffe bei denen Nachbarhäuser und Krankenhäuser zerstört wurden, sie waren, wenn sie davon erzählt haben, wieder völlig aufgelöst.

*Triggerwarnung

Die schlimmste Geschichte, hat Mohammed erzählt, der an einem sonnigen Tag mit einer Gruppe von Freunden in ein Cafe, in einem Kellerraum, gegangen war und er gehörte zu den zwei letzten, die am Ende des Treffens noch bezahlen mussten. Als er das Lokal gerade verlassen wollte, schlug davor eine Bombe auf dem Platz ein und alle seine Freunde, mit denen er zuvor Kaffee getrunken hatte, waren auf brutalste Art und Weise gestorben.  Danach litt er Monate lang unter Depressionen und auch während dieser Zeit gingen die Angriffe weiter. Jeder Tag konnte der letzte sein. Was also tun?

Morddrohungen, Bombenterror und Todesangst

Ich selbst war einmal in Istanbul und am ersten Morgen meiner Reise explodiert etwa 200m vor meinem Hotel, vor einer sonst belebten Stadtbahnhaltestelle, eine Bombe der YPG, die 11 Polizisten tötete. Ich habe die Erschütterung gespürt und in der Straße des Hotels waren viele Fensterscheiben von der Druckwelle zu Bruch gegangen. Das Gefühl danach war Todesangst. Sie hat mich einfach ergriffen und ich bin eine Stunde lang durch Istanbul gelaufen, um den Kopf frei zu bekommen und zu überlegen, ob ich meinen Urlaub abbrechen sollte. Ich hatte Angst vor weiteren Anschlägen, es war Ramadan und eine aufgeheizte politische Situation. Ich habe mich dagegen entschieden, weil Ahmed zu mir gesagt hat, ich solle keine Angst haben, wer Angst hat und sich wie ein Opfer fürchtet, wird zum Opfer werden. Er wusste, was er sagte und ich blieb. Zwei Wochen nach meinem Besuch in Istanbul starben bei einem weiteren Anschlag viele Menschen am Istanbuler Flughafen und auch das bereitete mir eine Gänsehaut, denn die Videos des Anschlags zeigten den Wartebereich, in dem ich mich nur zwei Wochen vorher auch aufgehalten hatte. Schon diese Nähe zu Bomben, Anschlägen und Tod hat mich ein Stück weit überfordert, wie schrecklich muss es sein, dieser Situation täglich ausgesetzt zu sein? Ich denke, das sollten wir nie vergessen, wenn wir von „Flüchtlingen“ sprechen. Selbst in der Situation zu sein wäre schrecklich und wie sollte man so etwas ohne Hilfe bewältigen?

Arbeit mit Folteropfern

Folter ist leider kein seltenes Phänomen und geflüchtete Menschen, heimatlose, Menschen im Krieg, trifft es besonders heftig. Ich habe ein Praktikum gemacht, bevor es wegen der Coronapandemie beendet werden musste und dort habe ich ebenfalls noch einmal einen Eindruck von dem Leben geflüchteter Menschen bekommen, die schlimmes erlebt haben und alleine die Tatsache, dass die Einrichtung, in der ich ein Praktikum gemacht habe, eine Warteliste für Klienten von über einem Jahr hat, zeigt, dass Hilfe dringend notwendig ist, auch noch in Deutschland. Was für uns hier, wie Geschichten aus einem James Bond Film klingt, ist oft Realität und diese Realität bedeutet oft seelische und körperliche Misshandlung, die sich ein Leben lang auf diese Menschen auswirken. Wenn von Trauma die Rede ist, muss man sich die Dimensionen dieser Traumen vor Augen führen, die mit wenig vergleichbar sind, dass in einem gutbürgerlichen Alltag passiert. Diese traumatisierten Menschen brauchen Zeit und einen vertrauensvollen Umgang, um sich nicht in ihrer negativen Erfahrung mit der Welt und den Menschen zu verlieren. Es mag kitschig klingen, aber diese Menschen brauchen Hoffnung.

 


Auf der Flucht sind Menschen vor allem anderen Schutzlos und anfällig für Krankheiten und Verbrechen, statt ihnen Gewalt anzutun, sollte zumindest der Schutz davor, als Existenzminimum, gewährleistet werden. 

Grundsicherung ist oft schon ein großes Problem.

Pushbacks sind illegal!

Wer Menschenrechte predigt, sollte sie auch einhalten.