Es wird bald neuen Krieg in Europa geben. Ich bin mir nicht sicher, ob jedem bewusst ist, dass damit wirklich mehr zerstört werden könnte, als „nur“ das Land, in dem dieser Krieg stattfindet, die Ukraine. Dieser Krieg bedroht uns alle. Es geht um nicht weniger, als die Vorherrschaft in europäischen Sicherheitsfragen, es geht darum, dass Putin die USA aus Europa verdrängen möchte. Auch hier bin ich nicht sicher, ob allen klar ist, was das bedeuten würde. Putin hat vor etwa einem Jahr einen Artikel über die Kräfteverhältnisse in Europa und den Zusammenbruch der Sowjetunion für die deutsche Zeitung „Die Zeit“ geschrieben. Vielleicht macht es Sinn sich diesen Artikel einmal genauer anzuschauen. Vielleicht macht es auch Sinn sich noch einmal zu vergegenwärtigen, dass es auf der Welt nie eine Zeit des Friedens gegeben hat. In Europa war es nach dem zweiten Weltkrieg zwar unwahrscheinlich, dass sich Nachbarn noch einmal überfallen würden, aber es war keine Zeit des Friedens in ganz Europa. Die 240.000 Opfer des Jugoslawienkrieges (1991-1999) sprechen eine eindeutige Sprache. Auf diesen bezog sich Putin auch bei der Pressekonferenz mit Olaf Scholz vor knapp einer Woche. Dieser Krieg war vor allem wirtschaftlich und ethnisch begründet. Im damaligen Jugoslawien waren zu viele, zu verschieden denkende Volksgruppen in einem instabilen staatlichen Gebilde vereint, das zudem wirtschaftlich schlecht da gestanden hat.

Der Zerfall dieses Staates war im Staat selbst begründet. Noch heute sind die Konflikte nicht überall beigelegt. Erst vor kurzen erstarkte der Konflikt zwischen Serben und Bosniern erneut, ein Krieg dort ist wieder wahrscheinlicher geworden, obwohl der frühere Krieg schon verherend gewesen ist. Jeder von uns hat damals von Flüchtlingen gehört. Gesehen hat man sie seltener, denn schon damals brachte man in Deutschland Geflüchtete in „Flüchtlingsunterkünfte“ (oft Container) außerhalb deutscher Gemeinden unter und betrachtete sie misstrauisch. Ich erinnere mich gut an die Geflüchteten in unserer Grundschule, die schwer traumatisiert waren und kaum Anschluss fanden. Ich habe mich immer gefragt, warum sie so traurig waren und habe mir das Grauen nicht vorstellen können, dass sie in ihrer Heimat erlebt hatten. Heute kann ich es mir vorstellen, zum Glück kann ich es aber nicht aus Erfahrung nachvollziehen, sondern einfach, weil der Begriff „Krieg“ mir sehr viel klarer geworden ist. Im Krieg passieren Dinge, die in ihrer Grausamkeit nicht zu überbieten sind und die damit verbundene Ernüchterung über das Wesen derer, die so etwas tun, muss unbeschreiblich schlimm sein. Frauen, Kinder, alte Menschen, kurz, unschuldige sterben in Kriegen zu Hauf und sie sterben grausam.

Das Gräberfeld von Srebrenica ist Zeichen einer europäischen Wunde, die noch nicht verheilen konnte.

Mir ist es unbegreiflich, dass sich Männer, meistens sind es Männer, so sehr auf ihre Positionen zurückziehen können, dass es nichts mehr geben kann, außer Krieg. Männer, die ihre Macht auf diese Art gebrauchen sind gefährlich. Kompromisslosigkeit ist der Weg in den Krieg und in meinen Augen der größte Fehler, den Menschen machen können. Sicher gibt es unverrückbare Überzeugungen, aber es ist wichtig, auch diese von Zeit zu Zeit zu hinterfragen, denn nicht immer ist es eine Überzeugung wert für sie zu kämpfen. Besonders eindrücklich dürfte diese Erkenntnis Deutsche nach dem zweiten Weltkrieg getroffen haben. War es das Wert? War Hitler es Wert? Auf keinen Fall. Rassenwahn, Herrenrassenphantasien, Minderwertigkeitskomplexe, Mannhaftigkeit, Deutschtum, Führertreue. Alles Synonyme für die deutsche Dummheit der 1930er Jahre.

Bilder von kreischenden „Fans“ politischer Führer kennt man heute aus Nordkorea und China.

Russland ist sicher kein zweites Nazideutschland, aber die Art, wie Putin den Staat in den letzten zwei Jahrzehnten auf sich selbst zugeschnitten hat, ist nicht weniger besorgniserregend. Was mich besonders besorgt ist, dass ich bisher kaum russische Stimmen zu all dem vernommen habe. Sicher, die russische Politik äußert sich, aber was sagen die Privatleute über die Politik Russlands? Bisher habe ich nichts gehört. Das kann verschiedene Gründe haben. Sie dürfen nichts sagen, sie wollen nichts sagen oder wir bekommen es einfach nicht mitgeteilt. Wenn wirklich ein Krieg droht und danach sieht es aus, braucht Putin eine Legitimation, denn auch er ist noch abhängig von der Mehrheit seines Volkes. Für mich bleibt, bei aller Kriegsrethorik, die Frage, wie informiert ist das russische Volk? Putin hat in den letzten Jahren viele Morde in Auftrag gegeben, hat immer größere militärische Paraden abhalten lassen und hat sich im politischen Geschehen weitgehend isoliert. Er hat eine Parallelwelt geschaffen, die besonders darauf gebaut ist, dass man Russland nicht als Weltmacht akzeptiert.

Putin ist ein Alleinherrscher und diese sind zu jeder Zeit gefährlich, denn sie entscheiden allein.

Für mich ist in all diesem Durcheinander politischer Spielchen der letzten Jahre die wichtigste Frage die geworden, ob Putins psychische Gesundheit noch gegeben ist. Alleine, wenn man betrachtet mit wem er sich umgibt und wie er seine Herrschaft ausführt, ist man geneigt anzunehmen, er könne unter Verfolgungswahn leiden. Es könnte aber auch genauso gut Größenwahn sein. In seinem Artikel fabuliert er von der engen europäisch- russischen Bindung und die Errettung Europas vor dem Nationalsozialismus durch die Russen. Er spricht vom Wortbruch der Nato und seinem Wunsch einer Partnerschaft mit Europa, von den USA spricht er nicht. Am Ende seines Artikels, in dem er Russland als größte Land Europas bezeichnet, stellt er klar, dass die Last früherer Fehler abgeworfen und korrigiert werden müsse. Diese Ansicht spiegelt sich in seiner Forderung wieder, die europäischen Verträge bis 1991 zurückzudrehen. Genau diese Forderung und die nach dem Abzug der USA aus Ost und Mitteleuropa machen aus der Ukrainekrise eine Gesamteuropäische und sind Zeichen dafür, dass dieser Krieg ausufern könnte.

Sollte das sein tatsächliches Ziel sein und sich seine Doppelzüngigkeit fortsetzen, ist ein großer europäischer Krieg nicht mehr ausgeschlossen. Das würde alles verändern.
Wenn Putin heute von korrigieren spricht, sind vermutlich keine Verhandlungen mehr gemeint.

Wie bereits erwähnt, kenne ich Krieg nicht aus Erfahrung, aber diese Bedrohung ist echt und sie könnte bedeuten, dass sich in den kommenden Jahren das Leben in Europa und Deutschland drastisch verändern wird. Nicht nur moderne Waffentechnik und Energiepolitik, auch die erstarkende Rechte machen mir Sorgen. Putin unterstützt antieuropäische Gruppen in Deutschland und anderswo. RT Deutsch ist besonders bei Verschwörungstheoretikern beliebt gewesen. Diese Taktik der Destabilisierung würde in Kriegszeiten vermutlich mehr Früchte tragen, was bedeutet noch mehr Unruhen, noch mehr Unsicherheit. Ich persönlich würde mich heute zu den besorgten zählen. Zu denen, die sich Sorgen machen, dass die russische Sicherheit unsere in Zukunft massiv gefährden wird. Ich hoffe noch auf andere Lösungen, aber ich glaube kaum daran, dass sich dieser Präsident, der sich mit Mördern wie Kadyrow und Diktatoren wie Lukaschenko umgibt, darauf einlassen wird. Wir werden jetzt viel Kraft brauchen und starke Nerven. Ich hoffe sehr, dass es in der Ukraine nicht zu einem Krieg und infolge dessen zu Kriegsverbrechen kommen wird, aber für mich ist der Krieg selbst eben schon Verbrechen genug und die Möglichkeit, dass er kommt ist definitiv gegeben.

Was Banksy sagt….

Ich verlinke euch noch einen aktuellen Artikel aus der TAZ, der den Einfluss von toxischer Männlichkeit auf militärische Konflikte in ironischer Weise verdeutlicht. Kurz gesagt, Krieg ist oft auch ein Schwanzvergleich.

https://taz.de/These-zur-toxischen-Maennlichkeit/!5833610/