Moin,

2017 hat die sog. „Flüchtlingskrise“, die ich eher als eine weltweite Migrationsbewegung aufgrund von Kriegen und Umweltzerstörung verstehe, noch eine große Rolle im Wahlkampf gespielt, 2021 genau gar keine. Man hat 2016 den EU- Türkei Deal ausgehandelt, der bis heute dafür sorgt, dass viele Geflüchtete in der Türkei bleiben und nicht weiter nach Europa reisen dürfen. Die EU hat Geld nach Ankara geschickt und gehofft, so würde sich das Problem von alleine lösen, was natürlich nicht der Fall ist. Viel mehr als das hat man seitdem nicht zustande gebracht. Im Gegenteil, man versucht nun das gleiche mit Libyen, was ein Witz ist angesichts der Verfassung des libyschen Staatswesens.

Wir finanzieren dieses Unrecht, wenn wir Libyen bezahlen.

In der Zwischenzeit ist das Lager Moria auf der Insel Lesbos (und auch andere Lager) auf eine Größe von 17.000 Mann (Frau und Kind) angewachsen. Die EU hat das Jahre lang tatenlos mit angesehen und hat vor allem dafür gesorgt, dass für die Zustände die Geflüchteten selbst verantwortlich gemacht wurden, obwohl diese Mittel- und Hilflos in diese Situation geraten sind. Im Jahr 2020 brannte das Lager dann nieder. Auch hierfür machte man die Geflüchteten verantwortlich, ohne die dafür notwendigen Beweise. Bis heute ist nicht klar, woher die Minderjährigen beschuldigten den Brandbeschleuniger bekommen haben sollen.

Moria und das Feuer waren ein Einschnitt in die europäische Geschichte der Neuzeit.

Lesbos war zwischenzeitlich immer wieder Ziel „rechter Reisegruppen“, die dort gezielt Hilfsorganisationen angriffen und Jagd auf Geflüchtete gemacht haben. Nachdem sich die mediale Hetze gegen Geflüchtete dann etwas beruhigt hatte, wurden diesen Angriffe glücklicherweise weniger. Trotzdem wurde aufgrund von Terroranschlägen und anderen Zwischenfällen ein grundsätzliches Misstrauen gegen Geflüchtete in der europäischen Bevölkerung etabliert, das sich bis heute gehalten hat. Die Mehrheit der Geflüchteten sind Schutzsuchende. Auch wenn es zur Wahrheit dazu gehört, dass viele ein gewisses Kapital für eine derartige Flucht benötigen, heißt das nicht, dass die Menschen wohlhabend wären und aus egoistischen Motiven handeln. Sie fliehen vor einer ausweglosen Situation in ihren Heimatländern, die auch aufgrund der europäischen Bündnispolitik entstanden ist. Der Hunger nach „Wachstum“ in den sog. Industriestaaten bedingt, dass es sog. Entwicklungs- und Schwellenländer gibt, die ausgebeutet werden können und diese befinden sich zu 90% im globalen Süden. Vor allem der afrikanische Kontinent leidet unter ständiger Unruhe und Ausbeutung durch reichere Staaten. Stichwort: Gewaltmärkte. Hier ist z.B. die französische Kolonialpolitik in Mali zu nennen, an deren Umsetzung auch Deutschland mit Soldaten beteiligt ist.

Die Verteilung des Reichtums ist offensichtlich.

Grundsätzlich besteht in unserer und anderen Gesellschaften ein Misstrauen gegenüber muslimischen Glaubensgemeinschaften, was nach dem 11.09.2001 und dem Erstarken und den Gräueltaten des IS in Syrien zwar nachvollziehbar ist, was aber auch ein wenig die Realität vernebelt. Nachweislich sind weltweit radikal religiöse Bewegungen auf dem Vormarsch. Dieser Eindruck mag hier nicht entstehen, da wir uns aufgrund von Skandalen mehr und mehr von der Kirche entfernen und da hier keine Notwendigkeit besteht, Hoffnung im Glauben zu suchen. Wir haben alles und müssen nicht hoffen, wir können kaufen. Islamische Gesellschaften kritisch zu betrachten, ist aus christlicher Sicht nicht verwunderlich, aber kritisch sein oder eben feindselig ist ein großer Unterschied. Natürlich war der 11.09. ein Einschnitt, aber die Ausrufung des „Krieges gegen den Terror“ war meines Erachtens nach ein großer Fehler, was die Entwicklungen in Afghanistan in den letzten 20 Jahren beweisen. Es ist immer falsch aufgrund der Taten einzelner, ganze Gruppen zu verurteilen. Mittlerweile hat sich eine Unversöhnlichkeit in diesen Konflikt geschlichen, die beide Seiten dringend überwinden müssen.

Mit ihm begann ein Rachefeldzug, der bis heute nachwirkt.

Den großen Playern in diesem Spiel geht es aber weder um Religion, noch um Menschenrechte. Erdogan möchte seine Macht ausweiten, die EU ihr Einflussgebiet erweitern, Putins Russland möchte Großmacht bleiben und die USA ihre Rohstoffversorgung sichern. Die arabischen Emirate möchten ihren Reichtum steigern und die iranische Führung weiter ihre Macht erhalten. Israel möchte die Rohstoffe in der Region kontrollieren und China will sich als Weltmacht etablieren. NIEMAND handelt hier aus religiösen oder selbstlosen Motiven, wer diese Märchen glaubt, ist selber Schuld. Politiker sind Geschichtenerzähler und ich habe wenig Hoffnung, dass sich das mit der nächsten deutschen Regierung in Deutschland ändern könnte. Kaum ein wichtiges Thema wurde im Wahlkampf besprochen. Es ging um Personen und Klimawandel, der wenn man mal ehrlich ist, nicht von Deutschland allein aufgehalten werden kann. Die gesetzten Ziele, egal welcher Partei, sind lächerlich weit in der Zukunft und werden letztlich als Grund missbraucht werden, den „kleinen Mann“ zur Kasse zu bitten. Realistisch betrachtet lebt der Kapitalismus von vielen Verlierern und wenigen Gewinnern.

Gewinner sind wir hier zwar global gesehen auch, im Vergleich zu den Eliten, die wir haben und die immer reicher werden, sind wir aber klare Verlierer, wir sind vor allem auch soziale Verlierer. Individualisierung und Egoismus sind folgen unseres Konsumverhaltens. Dieses Konsumverhalten zu erhalten und zu steigern, das bedeutet letztlich Wachstum, das bedeutet Kapitalismus. Kapitalismus bedeutet Wachstum auf den Konten reicher, weltfremder Eliten, die sich nicht an der Erhaltung einer funktionierenden Gesellschaft beteiligen, sondern in einer Parallelwelt leben. Anstatt Wissenschaft zu nutzen, um anderen zu helfen, siehe Coronaimpfung, helfen wir uns selbst und ignorieren das Leid anderer. Schon die Ebola- Epidemie 2014 hat das gezeigt. Erst als ein exponentielles Wachstum zu befürchten war und somit eine weltweite Pandemie, haben die reichen Staaten Hilfe geschickt und die Pandemie beendet. Es mussten zunächst fast 13.000 Menschen sterben.

Die schleichende Grenzschließung der EU, die diese Pushbacks nun zur Folge haben, ist ein ähnliches Beispiel. Wir fühlen uns den USA gegenüber erhaben, wenn wir Trumps Mauer Idee medial kritisieren, aber wir tun nichts anderes. Mit dem Geld für libysche Lager tun wir sogar schlimmeres. Dort werden Frauen vergewaltigt, Menschen geschlagen und gefoltert. All das ignorierend versuchen wir diese Praktiken nun aufrechtzuerhalten, damit unser Konsumverhalten nicht gefährdet wird. Damit das System Kapitalismus nicht in Frage gestellt werden muss. Ich stelle mir trotzdem manchmal die Frage: Muss es wirklich so sein? Darf man die Systemfrage wirklich nicht stellen? Auf www.mmeichallenge.de versuche ich nun meine Sicht auf die Politik darzustellen, weil diese Gedanken ein Ventil brauchen, man darf sie heute ja kaum laut aussprechen.