Die Wahrheit über derartige Reisen, wie ich sie gemacht habe, ist die. Die Tiefen sind tief auf so einem Trip. Man ist körperlich oft an seinen Grenzen, überschreitet rote Linien, auch Mental, man ist immer unter Anspannung. Meistens ist die Anspannung positiv, man freut sich auf, das was da kommt. Wie gesagt, Meistens. Aber es gibt Tage, eher Stunden, da zweifelt man an allem. Besonders am Anfang, weil man noch damit beschäftigt ist den Alltag abzuschütteln. Wenn man zwei Monate verreist, mit einem Fahrrad, ist der Abschied auch nicht unbedingt leicht. Man denkt sicher auch das eine oder andere Mal daran, dass etwas passieren könnte in dieser Zeit. Unterwegs kann einem nämlich wirklich vieles passieren. Meistens sind es aber auch unterwegs die Kleinigkeiten, die dann einen schlechten von einem guten Tag unterscheiden. „Mit dem falschen Fuß aufgestanden“, bin ich unterwegs auch mal. Das hieß beim Campen meistens sowas wie Handtuch auf dem Weg zum Duschhaus vergessen oder Kaffee erst zwei Stunden nach dem aufstehen und noch10km Radfahren.

Ich habe mir deshalb irgendwann angewöhnt die Zeit unterwegs anders zu betrachten.

Das kann man aber wirklich nur, wenn man mindestens 4 Wochen Zeit hat. Aus meiner Erfahrung von meinen zwei anderen langen Wandertouren, den Jakobswegen,  dauert es etwa 2 Wochen, um den Alltag umzuwandeln und in einen neuen Modus umzuschalten, der dann einen anderen Rhythmus hat, als der alte. Man muss dafür das Gefühl haben, die Dinge die man im Kopf hat, in Ruhe umsetzen zu können, in der Zeit die man dann eben noch hat. Man muss sich bewusst werden, dass man alles, was man braucht dabei hat. Man hat nicht mehr, man hat nicht weniger. Wenn man in diesem Zustand ist, kann man sich dann voll auf das Reisen konzentrieren. Reisen heißt für mich hier, dass man versucht seine Umgebung aufzunehmen und aufmerksam zu sein für die Dinge und vor allem die Menschen, Tiere und Pflanzen, die einen täglich Umgeben. Man hat Zeit zu sein. Unterwegs betrachtet man alles genauer, als im Alltag. Man betrachtet anders, vielleicht neugieriger, ungebundener, freier eben.

Die Ungewissheit und die Spontanität können manchmal aber auch einfach anstrengend sein.

Dinge können schief gehen.  Man muss sich hier immer wieder sein Ziel vor Augen halten. Meines war das sammeln von Spendengeldern und die persönliche Erfahrung, das Abenteuer. Niemand wird mir diese Erfahrungen nehmen können und es ist spürbar, dass sie Veränderungen bewirkt haben, die anders sind, als nach einem einfachen Urlaubstrip. Für mich ist es deshalb etwas bedauerlich, dass ich am Ende doch mit einem Rollkoffer auf Lesbos angekommen bin und nicht mit dem Fahrrad. Ich hätte gerne den Eindruck vermieden einfacher „Tourist“ zu sein. Aber anders wäre es gesundheitlich nicht gegangen. Glücklicherweise hatte ich die Gelegenheit einen längeren kurzen Einblick in die Welt an den Grenzen der Menschenrechte zu bekommen, der die Europäische Union wirklich deprimierend wirken lässt. Wo man Menschen auf See verhaftet, um sie dann entkleidet wieder in ein Schlauchboot zu setzen und sie zurück aufs Meer zu schicken. Wo man gefesselte Menschen ins Wasser schmeißt, wo man Menschen hinter Zäune in „Quarantäne“ schickt, für alle Augen sichtbar. Wo man Menschen für eine Situation verantwortlich macht, die man selbst mit provoziert und mit produziert hat. 

Ich habe die Reise unterwegs meistens in zwei Teile eingeteilt, weil es einen Teil mit und einen Teil ohne Rad gegeben hat. Mittlerweile würde ich die Reise in drei oder sogar vier Teile einteilen.

Teil eins begann schon vor der eigentlichen Reise und beinhaltet die ganze Vorbereitung und Planung und meine Reise durch Deutschland. Teil zwei beginnt nach der Grenze zu Österreich, da mich dort viele belastende Gedanken verlassen haben und viele neue, mutigere hinzukamen. Teil drei beginnt und endet in Kroatien. Als ich dort krank im Hostel lag, wurde mir klar, dass Krankheit schnell auch das ende bedeuten würde. Danach ging es dann noch einmal bergauf, aber es kamen neue Probleme hinzu, die langsam aber sicher meine Motivation erstickt haben. Ich hatte die falsche Strecke gewählt und gleichzeitig habe ich gesundheitliche Probleme entwickelt. Ich konnte kaum auf dem Rad sitzen und noch dazu habe ich mir Bedbugs eingefangen. Das heißt, ich konnte nicht fahren, habe mich den ganzen Tag gejuckt und hatte oft tagelang keine Waschmöglichkeit, die das Problem gelöst hätte. Ab hier war die Challenge die Organisation der Reise mit Fahrrad ohne es zu fahren. Teil vier begann in Dubrovnik. Dort habe ich das Rad nach Hause geschickt und habe meine Gepäck in typisches Reisegepäck umgewandelt. Danach begann eine seltsame Reise zurück in den Alltag in Wien, wo ich erst letztes Jahr gewesen bin und dann Thessaloniki, was politisch aufgeladen war, wie ich es zuletzt vielleicht in Istanbul erlebt hatte. Dann die Fahrt und Ankunft auf Lesbos. Lesbos, das ein Ort voller Gegensätze ist, die nicht leicht greifbar sind. Wenn man weiß, dass Europa die eigene Heimat ist, man aber kaum eine Vorstellung davon hat, wie das Leben anderswo auf der Welt sein kann. Wenn man nicht genau weiß, was es bedeutet, wenn die Äußeren Umstände zwingender sind, als in unserem Alltag. 

Natürlich soll das alles jetzt nicht bedeuten, dass es eine frustrierende, negative Erfahrung war, die ich am liebsten nicht gemacht hätte. Das Gegenteil ist der Fall.

Diese gesamte Aktion mit allem, was da so zugehört hat, auch der Berichterstattung, hat mich um ein ganzes Stück weitergebracht und sie hat mir die Augen geöffnet. Ich habe wirklich hingeschaut und habe versucht euch über meine Schulter schauen zu lassen, was auch nicht immer einfach war, weil man nicht genau weiß, was euch interessiert oder wie viel man preisgeben möchte und wie viel nicht. Mir ist im Bezug auf die Situation auf „der Insel“, wie ich Lesbos oft genannt habe, die Privatsphäre immer wichtiger geworden, was mich selbst überrascht hat. Eigentlich hatte ich unterwegs schon viele Hemmungen abgelegt und auch in den ersten Stunden auf Lesbos, waren die nicht wirklich vorhanden, später entwickelten sie sich aber doch. Ich vermute, dass es daran lag, dass ich nicht mehr packen und „flüchten“ musste sondern einen Ort der Ruhe gesucht habe, ihn aber auf Lesbos nicht richtig finden konnte. Ich finde es gut, dass ich nicht so schnell angekommen bin auf der Insel, das ich gefremdelt habe mit der Situation, denn so ist mir wirklich klargeworden, wie sehr entfernt ich von dieser Situation, als „normaler“ Tourist, wirklich war. Meine Highlights waren ganz klar die Kontakte, aber auch die Schönheit Europas und die Erfahrung an sich. Ich bin froh und glücklich, dass ich diese Reise gemacht habe, dass ich mehr gefunden habe als ich auf einer solchen Reise je gesucht hätte.

Ich hoffe, dass es euch bis hierher gefallen hat. Ich fand es sehr interessant alles nochmal durch die Brille des Berichterstatters zu betrachten und alles wiederzugeben, was man so für interessant gehalten hat. Guckt gerne immer mal wieder auf der Seite vorbei. Es wird sicher eine Seite sein, die in Bewegung ist, denn das macht die Red.Line.Challenge aus.

In diesem Sinne liebe Grüße und alles Gute für euch!