Die aktuelle Lage

Da euch ja sicherlich, wie mich auch, die aktuelle Situation der Geflüchteten interessiert, gebe ich euch einen kurzen Überblick über das, was ich bisher azs Gesprächen erfahren habe.

2015 war diese Straße und der Bereich nahe des Hafens in Mytilini voller Geflüchteter, ein Trauma für die Bevölkerung.

Der Brand in dem Lager Moria 2020,

das etwa 13.000 Menschen beherbergte, obwohl es für nur etwa 3500 Menschen ausgelegt war, stellt eine Art Zäsur da, für die Flüchtlingspolitik in Griechenland, aber auch hier auf Lesbos. Die Hintergründe des Brandes sind noch immer umstritten. Es wurden kürzlich einige Minderjährige Afghanen verurteilt.  Unklar ist aber woher der Brandbeschleuniger kam und ob es nicht Hintermänner gab, für die es ein leichtes wäre die jungen Afghanen zu dieser Tat anzustiften. Ich verlinke euch mal einen aktuellen Bericht aus den deutschen Medien dazu. Die Headline „Migranten verurteilt“ ist, auch wenn der Bericht durchaus auch die andere Seite im Blick hat, natürlich nicht besonders hilfreich für das Verhältnis Geflüchtete/ Einheimische ist. Man hätte auch Urteil im Moriaprozess titeln können oder anders. Weniger tendenziell eben, aber das kennen wir ja mittlerweile.

https://www.tagesschau.de/ausland/moria-feuer-urteil-101.html

Die Reste des Lagers werde ich mir auch noch anschauen, wenn ich schon einmal hier bin.

Das neue Lager in Kara Tepe beherbergt etwa 4000 Menschen, was schon einmal deutlich besser ist. 9000 Menschen weniger sind für jeden einzelnen eine Entlastung. Auch die Zahl der benötigten Hilfskräfte ist nun deutlich geringer.

Volunteertourismus

Mit Ursula habe ich über den „Volunteertourismus“ gesprochen und darüber, dass in den Hochzeiten der Krise hier zum Teil 20 Jährige die Hilfe koordiniert haben. Das hat zu einigem Chaos geführt, was nach unserer Meinung höchst problematisch ist. Ich bin selbst noch an der Universität und erlebe oft genug die Naivität der jungen Leute, die glauben, dass sie „mal hierher kommen können und helfen“ ohne wirklichen Plan, was das bedeutet und was überhaupt gebraucht wird. Oft genug wurden Partys veranstaltet und Menschen, die keinen Alkohol bzw. Drogen gewöhnt sind z.B. aus Afghanistan zum trinken und feiern animiert, keine große Hilfe. Mittlerweile sind viele NGOs vorsichtiger geworden. Ich habe das vermeiden wollen, weshalb ich eigentlich mit dem Rad kommen wollte, um den Eindruck zu vermeiden „mal gucken“ zu wollen. Ich habe vorher mit den Organisationen Kontakt aufgenommen und zum feiern bin ich nicht hier. Außerdem bin ich seit 13 Jahren Pfleger und weiß zumindest ansatzweise, wie das Leben so spielt. Ich wurde nicht von der Schule in die Uni geschickt und in Watte gepackt. Ich hatte selbst Depressionen und bin Wege gegangen, die schwer waren, das alles gibt mir etwas Sicherheit hier und auch ein wenig Abstand zu allem.

In Kara Tepe ist, laut der Übersetzer, die ich kennengelernt habe, die Situation der Geflüchteten in Ordnung, aber es gibt nur wenige Sanitäre Anlagen.  Eine längerfristige Behandlung von z.B. Wunden ist nicht einfach, da das Patientenaufkommen einfach immer noch sehr hoch ist. Megan, die Krankenschwester sagt, man sehe die Patienten einmal kurz und dann lange nicht mehr wieder. Viele der 13.000 Geflüchteten aus Moria wurden mittlerweile entweder in andere Lager verteilt, ihre Anträge bearbeitet (und oft abgelehnt/ Abschiebung) oder, was deutlich weniger schön ist, man gab ihnen die Möglichkeit aufs Festland zu kommen und dort ohne Papiere ihr „Glück“ zu versuchen, was in den meisten Fällen Kriminalität oder Prostitution bedeutet.

Lost Souls

Neben den Geflüchteten im Lager gibt es auch einige, die sich noch „illegal“ auf der Insel aufhalten, versteckt vor der Polizei. Auch das ist natürlich kein Leben, aber ich verstehe den Drang dem Lager zu entfliehen, da es dort starke Reglementierungen gibt. Man darf das Lager nur von 8- 20 Uhr verlassen und das auch nur mit Erlaubnis. Die Menschen haben kein eigenes Geld und sind natürlich in allen Situationen auf Hilfe angewiesen.

Der Faktor Zeit

Das bedeutet man ist nicht selbstbestimmt und ich als Europäer kann mir das kaum vorstellen. Je nachdem wie lange es dauert einen Asylantrag zu bearbeiten, kann sich dieses Leben über einen langen Zeitraum hinziehen. Die Einheimischen sagen sie wollen keine „Seelengefängnisse“ auf der Insel, was bedeutet, dass auch sie auf eine schnellere Abwicklung der Anträge drängen. In Kara Tepe gehe dies nun etwas schneller, wie man mir berichtet hat, aber auch das heißt nicht, dass hier nicht doch einige Seelen für lange Zeit auf der „Insel der Seligen“ stranden werden.

Man kann nur hoffen, dass nicht zu viele Seelen hier verloren gehen. Es wäre schade um jeden einzelnen dieser Menschen. Die freundliche, offene Art und die Hilfsbereitschaft meiner Mitbewohner hat mir das einmal mehr bestätigt.

Zum Schluss noch ein Link zu einem aktuellen Bericht von Lesbos der Frankfurter Rundschau.

https://www.fr.de/politik/aus-dem-dschungel-in-die-wueste-90976412.html

Liebe Grüße

Mo