„Denk ich an Deutschland in der Nacht, so bin ich um den Schlaf gebracht. Ich kann nicht mehr die Augen schließen. Und meine heißen Tränen fließen.“ Heinrich Heine, 1844. „Nachtgedanken

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Ist ein Satz, der in Krisenzeiten immer noch von vielen Deutschen gesagt wird, die auf eine scherzhafte Weise ihre Sorge über etwas meist politisches zum Ausdruck bringen möchten. Der Vers stammt vom Dichter Heinrich Heine (1797- 1856). Heine schuf mit „Deutschland. Ein Wintermärchen.“ auch einen Text, voller Liebe für seine nicht selten kalte und düstere Heimat. Er stammt aus Düsseldorf und er war Jude. Heinrich Heine gilt schon lange, als einer der größten deutschen Autoren.

„Wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.“ Heine in seinem Stück „Almansor“ 1823.

Wegen dieser Aussage schreiben manche Heine fast schon prophetische Eigenschaften zu, weil sie meinen, er habe die Bücherverbrennung bei der  „Aktion wider den undeutschen Geist“ der Nationalsozialisten 1933 vorausgeahnt.

Eigentlich bezog sich Heine aber vermutlich auf eine Bücherverbrennung durch die maurischen Eroberer in Spanien. Almansor ist eine Geschichte, nein, eine Tragödie, in der Heine über eine muslimisch- christliche Liebe in der Zeit des  muslimischen Spanien schreibt. Die Liebe von Almansor und Zuleima ist groß, doch sie ist, wie bei Romeo und Julia, am Ende nicht stark genug, um die Kluft der Religionen zu überwinden. Die Protagonisten springen in den Tod, weil sie glauben, dass sie nur so zusammen sein können. Die Geschichte spielt am Ende der Eroberung Spaniens durch die Mauren und stellt so einen Bezug zu einer noch älteren deutsch- französischen Tradition her, nämlich zu den Ursprüngen der heutigen Belletristik, dem Heldenepos und dem Artusroman. Das Verwirrspiel um die Herkunft der Hauptfiguren und die Reisen zwischen den Kulturen, sowie die Liebe über die kulturellen Grenzen hinweg sind sowohl Teil der Werke Heinrich Heines, als auch des Werkes von Wolfram von Eschenbach (1160- 1220). Ohnehin ist sind Bezugnahmen auf die „fremde“ muslimisch geprägte Kultur des nahen und mittleren Ostens schon in der Literatur des Mittelalters zahlreich. In Wolfram von Eschenbachs „Parzival“ wird die Herkunft der Hauptfigur durch verschiedene Umstände verkompliziert, sodass letztlich selbst Parzival die eigene königliche Herkunft nicht kennt. Sein Vater kämpft als Söldner für Kalifen und „schwarze“ Königinnen. Mit der Königin von Zazamac und mit Herzeloyde bekommt Gahmuret ein Kind. Über Zazamac schreibt Wolfram von Eschenbach:

„Auch waren die Bewohner von Zazamanc dunkel, wie die Nacht, so dass ihm ein Aufenthalt nicht eben sehr verlockend schien.“ Wolfram von Eschenbach, ca. 1200, „Parzival“ 

Der Sohn, den Gahmuret dann mit Belakane bekommt, Feirefiz, wird als schwarz- weiß gefleckt beschrieben und die muslimische Religion wird als heidnisch verunglimpft und häufig falsch dargestellt, um sie vom Christentum abzugrenzen, bzw. um das Christentum in ein besseres Licht zu rücken. Schon hier könnte man auf das von Edward Said in den 1980er Jahren beschriebene Phänomen des „Othering“ zu sprechen kommen, dass sich spätestens seit dem Kolonialismus auch durch die deutsche Literatur zu ziehen scheint. Beim „Othering“ geht es darum, ein negatives Gegenüber zu konstruieren, was dafür sorgt, dass das Selbstbild positiver erscheint, unabhängig von realen Gegebenheiten. Es scheint fast so, als habe die Auseinandersetzung mit dem „heidnischen“ eine Definition des eigenen im Christentum geradezu „angefeuert“.

Dabei sind die Parallelen beider monotheistischen Religionen vielfältig. Die Verwandtschaft von Juden, Christen und Muslimen ist unumstritten.

Alle drei Religionen glauben an einen Gott und erkennen Abraham als einen ihrer Stammväter an, weswegen man von den abrahamitischen Religionen spricht. Trotzdem gab und gibt es immer wieder Glaubenskriege und eine Befriedung der Situation scheint bis heute unmöglich. Religiöser Extremismus, Rassismus und unüberwindlich scheinendes Misstrauen prägen die Beziehungen vieler Kulturen seit Jahrhunderten. Setzt man sich mit Geschichte im Allgemeinen auseinander wird schnell klar, dass auch diese Feindseligkeiten ebenso „menschlich“ zu sein scheinen, wie es Offenheit und Freundlichkeit sind. Kein Mensch ist ausschließlich gut, keine Zeit war ausschließlich friedlich. Es ist Utopie, wenn man glaubt, man könne daran etwas grundlegendes ändern. Die Menschen aller Zeiten wussten um diesen Umstand, weshalb es Regeln gibt, die die Feindseligkeiten beschränken. Gesetze dienen dazu uns Menschen vor uns selbst zu schützen, weil Menschen nun einmal Regeln brauchen. Aber auch dieser Umstand verhindert nicht, dass Verbrechen geschehen. Trotzdem braucht es Gefängnisse, denn Menschen tun schlimme Dinge und das kann manchmal nicht verhindert werden. Eine Gesellschaft muss aber immer bemüht sein, so wenig Verbrechen und so wenig Gewalt aufkommen zu lassen wie möglich.

Mit Rassismus, Faschismus und auch in Teilen mit der Religion verhält es sich aber so, dass man in diesen Konstrukten oft die Gewalt gegen ein „Außen“ in welcher Form auch immer toleriert. Rassismus bedeutet immer Gewalt gegen Menschen anderer Herkunft oder mit anderer Hautfarbe. Rassismus bedeutet immer Gewalt gegen Menschen. Rassismus muss bekämpft werden.

Für gesellschaftliche Regeln, die den Frieden erhalten sollen, ist Rassismus in einer globalisierten Welt ein Dealbreaker, er funktioniert nicht friedlich, niemals und heute schon gar nicht. Rassismus erkennt Menschlichkeit, menschliche Eigenschaften und individuelle Besonderheiten nicht an. Extremer Rassismus, ist wie religiöser Fanatismus zu 100% exklusiv. Man ist mit uns oder gegen uns. Diese Gemengelange aus Hass, Frust und Wut, die dieses radikale Denken bilden, zu durchbrechen ist fast unmöglich, weshalb man am besten dafür sorgt, dass es in der Gesellschaft keinen Platz hat, keinen Halt findet. In Deutschland ist es leider so, dass Rassismus und Fremdenhass schon immer einen starken Anker in der Gesellschaft hatten. In der Tiefe der deutschen Seele schlummert Dunkelheit, die nicht geweckt werden will. Weckt man sie dennoch, überzieht sie die Welt mit tiefschwarzer Nacht, sie hat es schon bewiesen.

Vermutlich schlummert diese Dunkelheit in allen Menschen, aller Völker, aber die Auswirkungen eines in Dunkelheit verschwindenden Deutschlands in der Mitte Europas wären verheerend, weil es das Potenzial hat ganz Europa in den Abgrund zu reißen. Nazis haben Angst vor einem Multi-Kulti- Deutschland, vor linksgrün versifften Ökos und vor allem was bunt ist, besonders vor dem Regenbogen. Die Sorge, dass sich Deutschland verfärbt, treibt mich auch um. Ich habe Angst, dass Deutschland braun wird, wie die Scheiße, die der AfD unter den Füßen klebt. Das darf nicht passieren.

Zurück zu Heinrich Heine. Heine war ein „Spötter“ habe ich irgendwo gelesen. Heine machte sich lustig über die Kirche oder andere Institutionen und Heine war ein kritischer Denker. Überträgt man eine Figur, wie Heinrich Heine ins Heute, würde ich sagen, er wäre ein Art Volkssatiriker. Jemand, der sich selbst nicht zu ernst nimmt, aber auch niemand anderen. Heine ist kein „typischer“ Deutscher für mich. Geht man nach den Vorurteilen über Deutsche, sind wir alle humorlose, strebsame und überpünktliche, beamtenartige Figuren, die sich leicht übers Ohr hauen lassen oder Nazis. Früher hat man uns im Ausland sogar mehrheitlich für Bayern gehalten, was ich persönlich schon fast beleidigend finde. Die Frage ist also eher, was ist denn „typisch“ deutsch? Wenn ich so darüber nachdenke, kommen mir viele negative Assoziationen und ich glaube, dass das das deutsche an der Sache ist.

Wir deutschen seien so ernst, hat man mir auf Lesbos gesagt, wir seien einfach nicht locker. Ich bin der Meinung, dass das durchaus stimmt. Wir sind nicht locker und wir sind vor allem oft so gehemmt, wenn es darum geht uns auszudrücken. So als ob immer jemand mit dem Rohrstock hinter den deutschen stünde, um sie bei einem lieben Wort oder einer Umarmung wegen „Gefühlsduselei“ zu züchtigen. Deutschland fühlt einfach schlecht manchmal, es findet keinen Zugang zu sich, und ich frage mich oft warum?

„Der Deutsche gleicht dem Sklaven, der seinem Herrn gehorcht ohne Fessel, ohne Peitsche, durch das bloße Wort, ja durch einen Blick. Die Knechtschaft ist in ihm selbst, in seiner Seele; schlimmer als die materielle Sklaverei ist die spiritualisierte. Man muß die Deutschen von innen befreien, von außen hilft nichts.“ Heinrich Heine

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Heines Blick auf Deutschland war scharf, aber wohlwollend. In Heines Worten erkennt man Deutschland zum Teil noch heute wieder, was eigentlich auch traurig ist. Es wird gerne behauptet, das Problem der deutschen mit ihrer Kultur habe mit dem dritten Reich zu tun, aber ich glaube fast, dass es den deutschen schon immer schwer gefallen ist, ihren Gefühlen freien lauf zu lassen. Für mich wurde der Grundstein für diese Entwicklung spätestens im preußischen Kaiserreich1872 manifestiert. Das preußische Erbe wiegt schwer. Es ist aus Kruppstahl und Kanonenkugeln und so zart und feinfühlig, wie ein Stück Granit. Emotionaler Stillstand kommt von „Achtung! Still gestanden! Das Gewehr links!“ Befehl und Gehorsam, das ist Deutschland, wenn es bedrohlich wird. Deutschland schaltet kollektiv auf den Befehlsempfänger. Deutschland weiß zu funktionieren. Deutschland arbeitet effizient. Deutschland ist stolz darauf. Deutschland kann stolz darauf sein, aber Deutschland kennt den Nationalsozialismus und sollte es jetzt einfach besser wissen!

„Fatal ist mir das Lumpenpack, das, um die Herzen zu rühren, den Patriotismus trägt zur Schau, mit allen seinen Geschwüren.“ Heinrich Heine

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Für mich ist der ungewöhnlich unverstellte Heine, der Jude, der Deutschland liebte, bevor es alle Juden fürchten mussten, der Autor, der am besten wiedergibt, was im Kern deutsch ist. Einer der alten, weißen, Männer. Einer der Dichter und Denker. Attribute vergangener Zeiten. Auch das ist Heine für mich. Eine Stimme der alten Zeit. Die Frage heute muss sein, wie sehr identifizieren wir uns überhaupt noch mit der Kategorie des deutschen? Wie sehr hängt unser Herz noch an der alten Melancholie? Wir haben den Krieg hinter uns gelassen und trotzdem erstarken jetzt die Kräfte, die eben diesen großen Krieg verursacht haben? Wieso? Sich von innen befreien, wie Heine sagt, könnte sich der deutsche nur, in dem er sich öffnet und das fällt hier im modernen Deutschland 2021 immer noch vielen unglaublich schwer. Als hinge noch ein gezwirbelter Wilhelm in den Kellern. Mittlerweile leben so viele Menschen aus verschiedenen Nationen in Deutschland, dass wir uns öffnen müssen, um Gemeinsamkeiten zu suchen und etwas gemeinsames zu schaffen. Das ist sicher nicht leicht, aber möglich ist es bestimmt.

Ich finde, dass es schon einige positive Veränderungen gegeben hat in den letzten Jahren. Trotzdem wird man immer noch schräg angeschaut, wenn man unter deutschen sagt, Deutschland sei ein Einwanderungsland, warum? Wir sollten es als Chance begreifen, alles andere wird mit der Zeit zu Problemen führen. Ich bin gespannt auf die nächste Bundesregierung, denn es ist viel Luft nach oben, wenn Deutschland strukturiert und weltoffen mit der Zeit geht und sich nicht reaktionär und träge durch die Jahre schleppt. Wir werden sehen…