Die jetzige Einwohnerzahl Syriens ist gar nicht so einfach zu ermitteln. Wie viele Menschen sind ins Ausland geflüchtet, wie viele im Inland auf der Flucht, wie viele schon lange gestorben? Das alles muss man bedenken, wenn man die Zahl von etwa 17 Mio. liest und erfährt, dass etwa 6Mio. ins Ausland geflohen sind, während noch etwa 5 Mio. innerhalb des Landes auf der Flucht sind. Der Syrienkrieg begann 2011. Uns hier interessiert hat das alles aber leider erst wirklich 2015, als dann die ersten syrischen geflüchteten unter den Menschen waren, die ach so „plötzlich“ an den Grenzen Osteuropas standen, wie sie schon lange vor den Toren der USA in Südamerika stehen.
Von Süd nach Nord, von Ost nach West. Diese Wanderungsbewegung macht doch ganz klar Sinn, man möchte eine Chance und man möchte sie nutzen. Denn wenn man ehrlich ist, ist eine Hoffnung auf Ruhe und Frieden in Ländern wie Syrien noch auf lange Sicht gesehen eher schwierig. Der militärische Konflikt ist zunächst vorbei, das Land aber noch gespalten, die Macht nicht klar verteilt, die Unsicherheiten groß, die Familien zerrissen.
Jeder zweite Syrer wurde aus seinem Zuhause vertrieben durch den Krieg! Wir haben davon keine Vorstellung. Unsere Großeltern mögen die noch haben. Ich habe vor kurzer Zeit mit meiner Oma gesprochen und ihr gesagt, dass ich in Stuttgart sei, sie antwortete „Da bin ich auch mal gewesen, im Krieg, im Bunker!“ Ich erinnere mich, an die Menschen aus der Generation meiner Oma noch sehr gut. Meine Oma ist jetzt fast 90 Jahre alt und hatte neben viel Leid auch viel Glück in ihrem Leben. Sie darf, anders als viele Menschen dieser Generation, letztlich glücklich 90 Jahre alt werden. Meine Oma hat auch gelitten, wie alle in dieser Generation, die den Krieg erleben musste.

Ich erinnere mich noch gut, an die Männer aus dieser Generation. An die Opas aus meiner Kindheit und Jugend, die immer etwas beängstigendes umgab, etwas unnahbares. Das mag sicherlich auch an dem Umstand gelegen haben, dass ich im Sauerland groß geworden bin, aber sicherlich auch daran, dass diese Männer im Krieg gewesen sind. Krieg verändert Menschen. Krieg ist das Spiel der Götter von Angst und Macht. Krieg ist das Spiel, das aus Männern Mörder macht.
Die Menschen, die in Syrien zurückkehren in ihre Häuser, sind immer noch dabei die Schäden zu sichten und neue Pläne zu machen. Syrien mag ruhiger sein, aber ein Krieg wirkt nach. Ein Krieg wirkt lange nach, auf manche ein ganzes Leben. Das ist der Grund, warum ich oft an unsere Großeltern denken muss, die oft schwer traumatisiert aus dem Krieg zurückkehrten, die den Krieg überlebt hatten, aber noch lange danach im Krieg lebten, wenn sie Nachts ganz einsam träumten, aber auch am Tage in ihren Familien. Die Strenge dieser wortkargen Generation und ihre Disziplin prägten Deutschland noch lange nach dem Krieg. Anders als Syrien hat in Deutschland der Krieg nicht in der Bevölkerung in Deutschland begonnen, sondern Deutschland, auch seine Bevölkerung, hat ihn ausgelöst, hat ihn nach außen getragen, als es Polen angriff. In Deutschland musste sich die Welt einmischen, um es zu stoppen. In Syrien griff die Welt ein, um eigene Interessen durchzusetzen, jeder für sich. Der IS war ein gemeinsamer Grund, aber sicher nicht der einzige, nur der einzige gemeinsame.

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