Es ist schon reichlich überheblich, und passend für Robin Alexander, den Buchtitel „Die Getriebenen“ zu wählen, um Merkel und ihre „Mannschaft“ während der „Flüchtlingskrise“ 2015 als gehetzte, bemitleidenswerte Politiker darzustellen. Die Getriebenen in der Flüchtlingskrise waren also Merkel und ihr Team? Die Getriebenen waren nicht die Massen von Menschen, die seit Jahrzehnten nichts anderes sind als „Die Getriebenen“, nichts anderes, als ein Spielball der Mächtigen. Viele deutsche Geflüchtete aus dem zweiten Weltkrieg, die aus dem Osten fliehen mussten, nennt man heute „Vertriebene“. Die ehemalige Vorsitzende der „vertriebenen“ Deutschen ist mittlerweile eine der größten Hetzerinnen gegen Geflüchtete.
Erika Steinbach ist eine Person, die absolut nicht ernst zu nehmen ist. Sie hat augenscheinlich nicht verstanden, dass der Verein, dessen Vorstand sie war, für die Rechte von Menschen einsteht (einstehen sollte), die ihre Heimat verloren haben. Wie empathielos und inkompetent muss der Vorstand eines „Vertriebenenverbandes“ sein, wenn er bzw. sie ihren Einfluss nutzt um geflüchteten Menschen massiv zu schaden? Wie rassistisch muss ein solcher Vorstand sein? Denn der einzige Grund für ein solches Verhalten ist Fremdenhass. Mittlerweile ist sie Vorsitzende der AfD nahen Desiderius- Erasmus- Stiftung, die einen ebenso fraglichen Ruf genießt, wie die Partei AfD selbst. Das ZDF- Magazin hat einen guten Bericht über diese Stiftung gemacht. Sollte man gesehen haben.
Das ZDF-Magazin hat auch einen guten Bericht über die neuen „Closed Camps“ auf den griechischen Inseln gemacht (auf der Startseite verlinkt). Die neuen Zentren, in denen die Geflüchteten jetzt untergebracht werden sollen, erinnern sehr stark an Gefängnisse oder wie es im ZDF Magazin genannt wurde „Internierungslager.“
Ich weiß, aus den zahlreichen Nazi-Dokus mit denen man Nachts immer zugeballert wird im deutschen Fernsehen, dass die Welt, zur Zeit des zweiten Weltkriegs und davor, von Camps in Deutschland wusste, in die man Gegner, Zwangsarbeiter und Juden internierte. Die Welt sah damals genauso zu, wie wir heute in Xinjiang, China, zuschauen, wo man die Uiguren züchtigt Auch das australischer Insellager für Geflüchtete oder die libyschen Folteranstalten und eben nun auch die Lager auf den griechischen Inseln oder dem Balkan sind uns allen bekannt. Nichts davon wissen wir nicht und von nichts davon werden wir das „Nichtwissen“ später einmal behaupten können.
Geflüchtete sind in meinen Augen immer auch Getriebene. Ob hier oder in den USA man treibt die Menschen, man „lenkt den Flüchtlingsstrom.“ Es sind die Mächtigen, deren Entscheidungen über das Glück und Unglück der Schwachen bestimmen und die Heimatlosen, die Geflüchteten und Vertriebenen sind die schwächsten Teile der Weltbevölkerung. Diese Menschen sind Freiwild für die mächtigen Raubtiere, die hinter jeder Grenze auf sie lauern. Ob Mafia, Clan, Religionsgemeinschaft oder Politiker alle vereinnahmen die Geflüchteten, gaukeln ihnen Heimat vor, machen sie gefügig. Produziertes Leid wird ausgenutzt und neues Leid produziert.
Heimat ist deshalb ein wichtiges Konstrukt, weil wir sie kennen. weil wir sie lieben und uns in ihr wohlfühlen und sicher. In der Heimat kennen wir die Gepflogenheiten, wir kennen das Recht, wir kennen unsere Rechte. Als Vertriebener, Geflüchteter, Heimatloser hast du keine Rechte, die du verinnerlichen kannst, auf denen du bestehen kannst, außer denen, die gelten müssen, um am Leben zu bleiben und weiterzukommen. Das Leben wird zum täglichen Kampf. Manche denken jetzt vielleicht an die Menschenrechte, aber ich glaube niemand weiß besser, als die Geflüchteten, dass es Orte auf der Welt gibt, an denen die Menschenrechte kaum einen Wert haben. Ich will hier nicht sagen, dass Lesbos so ein Ort wäre, aber es ist ein Ort, an dem die Grenzen der Menschenrechte immer wieder überschritten werden, öfter als anderswo in Europa und oft vor allem durch Europa selbst.
Unter dem Video finden sich bei Youtube viel eher rechte Kommentare. Wenn man es aus dem Zusammenhang gerissen sieht, kann man lediglich spekulieren, worum es bei diesem Konflikt ging. Ich kann mir, nach meinem Besuch auf der Insel, jedenfalls viele, viele Gründe vorstellen, warum die Menschen aus dem Camp einen Aufstand geprobt haben. Die Bilder scheinen vom Februar 2020 zu sein, was bedeutet nach dem Brand von Moria. Die Situation war zu dieser Zeit sehr aufgeheizt. Auch deshalb, weil man verboten hat die Geflüchteten, die auf der Insel umherliefen, mit dem Notwendigsten zu versorgen, um sie so in das Lager in Kara Tepe zu treiben. Es ist also kein Aufstand von gierigen Wirtschaftsflüchtlingen und Islamisten, den man her sieht, sondern einer von jungen Menschen, die zum Teil Jahre in einer ausweglosen Situation festgehalten werden, die ihnen nicht einmal ein bisschen Privatsphäre und Hygiene zugesteht.
Ich habe schon oft gesagt, dass es anderswo sicher schlimmer ist, aber das kann nicht der Maßstab unseres europäischen Handelns sein, wenn wir auf der anderen Seite immer behaupten ein Rechtsstaat zu sein. Ein Rechtsstaat hätte die Möglichkeit Einwanderung in einem rechtlichen Rahmen so zu erleichtern, dass sowohl Staat als auch Migrant davon profitieren. Derzeit sind wir als Europa nicht in der Lage, eine Politik zu betreiben, die auf der einen Seite fehlende junge Arbeitskräfte heranschaffen und auf der anderen Seite die Perspektivlosigkeit junger Geflüchteter beenden kann. Ich sage nicht, dass jeder nach Europa kommen soll, aber die die wollen und willig sind die Vorrausetzungen für einen Job zu erfüllen, die sollten kommen dürfen, die müssten sogar kommen.
Integration und eine damit einhergehende schleichende Angleichung sind Dinge, die Zeit brauchen. Das braucht oft Generationen. Ich habe zwar einige kennengelernt, die gesagt haben, dass sie einmal zurück nach Syrien möchten, aber es gibt sicher auch viele, die das nicht mehr möchten und das ist gut für Deutschland. Als ich auf Lesbos war, wurde immer gesagt, dass Deutschland ein gutes Beispiel für eine Gesellschaft ist, die an großer Einwanderung nicht zerbrochen ist und ich finde sogar, dass Gegenteil ist der Fall. Natürlich haben sich Dinge verändert. Zeit verändert Dinge. Aber es hat sich vieles auch zum positiven verändert. Ich finde, dass Deutschland insgesamt weltoffener geworden ist in den letzten 10 Jahren und ehrlicher. Auch wenn es komisch klingt, aber auch die AfD ist Teil dieses sich ehrlich Machens, dass hier stattgefunden hat. Es ist gut zu wissen, dass es diese Form der rechten Gesinnung noch gibt, um sie effektiv zu bekämpfen. Lange hat man so getan, als gebe es das nicht. Endlich ist die Maske diesbezüglich auch innerhalb Deutschlands gefallen.
Deutschland hat sicher ein großes Problem mit rechtem Terrorismus, wie es das auch mit islamistischem und linksextremem Terrorismus hat, aber es ist auch lebendiger geworden und diskursiver und politischer. All das hat die „Flüchtlingskrise“ uns gebracht. Ob Deutschland wirklich politischer werden musste, ist die eine Frage, aber ob Deutschland lebendiger werden musste? Das ist eigentlich keine Frage. Natürlich musste es lebendiger werden, denn nur so kann man mit der Zeit gehen und die Zukunft ist globalisiert und nicht nationalistisch. Das ist zumindest meine Vorstellung davon, wie sich die Digitalisierung auf lange Sicht auswirken wird. der Kontakt über Ländergrenzen hinweg geht heute einfacher als je zuvor, das verbindet. Ich glaube, dass Zuwanderung gut ist und normal.
Leider muss man immer bedenken, dass die Fluchtursachen aber nichts mit Normalität zu tun haben, sehr wohl aber mit unserem Alltag als Konsumenten. Dieser Verantwortung müssten wir uns mindestens einmal am Tag bewusst werden. Ob beim Kaffee aus Äthiopien oder beim Spargel, den ein Rumäne geerntet hat, bei allem sollten wir uns bewusst machen, dass diese Einfachheit auf unseren Tischen und Tellern auf der Mühsal eines anderen beruht und manchmal ist die Mühe eines Menschen eben nicht so einfach mit Geld zu bezahlen, sondern es braucht ein bisschen mehr Aufmerksamkeit oder Rücksichtnahme, um etwas von dem wiederzugeben, was man bekommen hat.
Ich verlinke euch noch einen Artikel zu den Toten an der polnischen Grenze, denn auch dieses Problem wird sich zu den anderen Problemen gesellen, die eine fehlende einheitliche Linie in der EU- Migrationspolitik mit sich bringen muss. Allerdings beschleicht mich mittlerweile eher der Gefühl, dass es bereits einen größeren, weniger menschenfreundlichen Plan zur Grenzsicherung gibt, der auf kurz oder lang die Abschottung der EU bedeuten wird und damit weder etwas gegen Fluchtursachen, noch etwas für Geflüchtet getan wird. Man überlässt die Menschen in z.B. Libyen ihrem Schicksal und lässt sie dann auch weiterhin im Mittelmeer ertrinken.
Die zwölf Sterne der EU stehen für Vollkommenheit. Ich kann mir nicht helfen, aber ich finde, dass die europäische Migrationspolitik bisher oft vollkommen am Thema vorbei betrieben wird. Hier liegt die deutsche Verantwortung übrigens klar bei Ursula von der Leyen. Sie wirkt weniger wie eine Getrieben, als vielmehr wie eine ins Amt gehievte. Die „Gehievte“ wird die Situation sicherlich für niemanden außer den Mächtigen zum positiven verändern können. „Die Gewählte“ wäre ein Titel, dem ich an dieser Stelle mehr zugetraut hätte. Die Getriebenen werden jedenfalls noch lange getriebene bleiben. Außer Merkel, die geht in den Ruhestand.
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